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Als der in den
Reiseberichten über Segeltörns Skipper Hans genannte Schiffsführer Helmut Braun dazu
verdonnerte, die Törnberichte zu schreiben, war dieser völlig verdattert. Und
das aus gutem Grund, hatte ihm doch seinerzeit sein Deutschlehrer gesagt: „Du
und die Deutsche Sprache sollten immer einen großen Bogen umeinander machen.”
Mit Schreiben hatte sich Helmut Braun daraufhin – den Rat befolgend – nie
abgegeben. Die Zahl der Törnberichte wuchs indessen Jahr für Jahr an, weil sich
die Leser eines Schmunzelns nicht erwehren konnten und ihn zu neuen Taten
anspornten. Dass die ersten acht Berichte auf Schreibmaschinenpapier kopiert und
mit einer Kunststofflasche, die ihre zwei blechernen Zungen durch je zwei Löcher
in den Blättern steckte, ‚gebunden’ waren, störte offenbar niemanden. Helmut Braun
schickte seine ‚Manuskripte’ – es waren inzwischen auch Glossen und anderes
hinzugekommen – an alle erdenklichen Verlage. Das Ergebnis war eindeutig.
Offenbar hatte sein Deutschlehrer doch recht.
Der Vorruhestand brachte
Gemächlichkeit in den Alltag, und so stellte Helmut Braun sein erstes Buch her.
‚Aktennotizen’ nannte er die gesammelten von Hand sowie am Computer entstandenen Glossen über die Firma, in der er gegen
Ende seines Berufslebens immer mehr Kurioses und Verrücktes erlebt hatte,
druckte es auf dem Computer aus, klebte die Seiten mit Dispersionskleber
zusammen, pappte noch ein Deckblatt drum herum, schnitt die Kanten glatt und
verkaufte die Schmunzelbücher im Bekanntenkreis sowie über den ruck zuck der Taufe entstiegenen
Schmunzel-Verlag im Internet. ‚Wie warme Semmeln’ konnte man den Verkaufserfolg
vielleicht nicht gerade titulieren, aber die Bücher verkauften sich. Jedenfalls im
Bekanntenkreis. Besonders die Aktennotizen. Die Meute verlangte nach mehr. Das ließ sich indessen nicht
bewerkstelligen, denn erstens war Helmut Braun als Rentner von den
Direktinformationen über die Possen der Firmenleitung abgeschnitten und zweitens
war der Chemiebetrieb, in dem er gewerkelt hatte, den Weg aller Managerfehler
gegangen. Das Vorbild der Multi Trash AG war dahingeschieden. Einen Teil der
Ursachen konnte man noch nachlesen. In den Aktennotizen.
Was tun? Die Lösung brachten
die Stammtischgespräche, denn Kurioses und Verrücktes erlebt der deutsche
Bundesbürger ja inzwischen jeden Tag. Er braucht sich nur wachen Geistes mit den
Nachrichten im Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung zu befassen. Es gab und gibt so
viel zu glossieren, dass der Verlag die Bücher in Sektionen unterteilen musste.
Das erste davon befasst sich mit den Ungereimtheiten der Justiz. Und zwar einzig
und allein, weil bei den anderen Lebensbereichen noch immer Hanebüchenes
hinzukommt, während im Justizwesen bezüglich der Ungereimtheiten eine gewisse
Sättigung zu erkennen ist. Die Dummheiten haben anscheinend das maximal mögliche
Ausmaß erreicht.
Die Ansichten der Autoren
des Schmunzel-Verlages sind gezwungenermaßen so stark praxisorientiert, dass
keiner der etablierten, zumeist ideologisch ausgerichteten Verlage auch nur
eines der Bücher verlegt hätte. Deshalb blieb Helmut Braun nichts anderes übrig,
als seine Bücher selbst zu verlegen. Der Name Schmunzel-Verlag ist dabei
vielleicht ein wenig irreführend, denn um über die Glocomane schmunzeln zu können,
bedarf es einer gehörigen Portion Grips, gepaart mit Realitätssinn. Einfache
Gemüter werden nicht auf ihre Kosten kommen.
Übrigens: Sechs Wochen vor
seinem tragischen Unfalltod drückte der Deutschlehrer bei einem
Ehemaligentreffen seinem ehemaligen Schüler Helmut Braun lange aber wortlos die
Hand. Ein Mitschüler hatte ihm ein paar Wochen zuvor die damals noch nicht so
zahlreichen Bücher des Schmunzelverlages geschenkt.
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